Die Woche für Demokratie und Toleranz, die immer im Februar ihren Platz im Veranstaltungskalender hat, wird bereits seit 2016 von den Organisatoren auf die Beine gestellt. Im Kontext der vorgezogenen Bundestagswahl erhalten die Begriffe „Demokratie“ und „Toleranz“ eine besondere Akzentuierung und Aufmerksamkeit, was man auch an der Resonanz auf die einzelnen Programmpunkte ablesen konnte. Bereits bei der diesjährigen Auftaktveranstaltung sorgte der bundesweit bekannte Referent Prof. Wolfgang Merkel für volle Publikumsränge im Musiksaal des Wilhelmi-Gymnasiums. Über 200 Gäste nahmen teil, darunter auch 80 Schülerinnen und Schüler der Oberstufe. OB Marco Siesing und die DBG-Kreisvorsitzender Milena Brodt eröffneten die Veranstaltung mit Grußworten.
„Zerbrechlich oder wehrhaft: Wie geht es unserer Demokratie?“ Professor Merkel konnte diese Frage als renommierter Politikwissenschaftler differenziert beantworten. Dabei blickte er sowohl in die letzten Jahrzehnte der Bundesrepublik zurück, als auch über den deutschen Tellerrand hinaus auf die aktuelle Situation anderer Demokratien. Es wurde deutlich, dass die Demokratie in den letzten Jahren in vielen Staaten an Stabilität und Rückhalt verloren hat. Der Referent stellte am Ende seines Vortrages verschiedene Handlungsoptionen vor, die gerade im demokratischen System möglich und geeignet sind, dasselbe zu stabilisieren. Dazu gehören Beteiligungs- und Mitwirkungsansätze z.B. durch Bürgerräte und Volksbegehren, die Steuerungs- und Reflexionsmöglichkeiten der politischen Parteien und nicht zuletzt zivilgesellschaftliches Engagement, das auch durch Demonstrationen zum Ausdruck gebracht werden kann. Nicht zuletzt sei die Stimmabgabe bei Wahlen ein zentrales Instrument, mit dem Parteien gewählt, aber auch abgewählt werden können. Merkel machte deutlich, dass er die Regierenden in der Hauptverantwortung sieht, die bestehenden Probleme anzugehen, um das Vertrauen in die politischen Institutionen wieder zu festigen.
Lehrer und sozialpädagogische Fachkräfte konnten sich beim Online-Seminar „Defekte Debatten“ mit der Berliner Politikwissenschaftlerin Dr. Julia Reuschenbach fortbilden. Gerade auch im pädagogischen Alltag ist es wichtig, mit Jugendlichen im Gespräch zu sein und Diskussionen und Auseinandersetzungen konstruktiv und lösungsorientiert führen zu können. Die Referentin bot einige Erklärungen, aber auch verschiedene Lösungsideen für die oftmals gestört ablaufende politische Kommunikation. Unter anderem schlug sie vor, das Schulfach „Demokratie“ für alle Schularten und Klassenstufen einzuführen, da Demokratiebildung schon im Kindes- und Jugendalter verankert werden müsse.
Als Bernhard Edin, Lehrer der Realschule Obrigheim und ehrenamtlicher Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Neckarelz, und fünf ehemalige Schüler seiner Geschichte-AG im Café SAM von ihren Erfahrungen berichteten, war erneut volles Haus angesagt. Auf Initiative der Geschichte-AG sollte die Realschule bzw. die Obrigheimer Neckarbrücke nach dem Sinto Vinzenz Rose benannt werden, was letztendlich aber nicht umgesetzt werden konnte. Die Gäste zogen das Publikum in ihren Bann, indem sie abwechselnd erzählten, aus ihrem Buch zur Ausstellung „Vinzenz Rose – einer von uns?!“ vorlasen und zahlreiche Rückfragen der Anwesenden beantworteten. Eindrücklich konnten sie berichten, mit welchen Widerständen von Seiten der Kommunalpolitik sie konfrontiert wurden, nachdem sie Rose als Namenspatron vorschlugen, der drei Konzentrationslager überlebt hatte und nach dem Krieg zu einem Bürgerrechtspionier für die deutschen Sinti wurde.
Einen besonderen Stellenwert in der Woche für Demokratie und Toleranz nimmt seit jeher die Arbeit mit Schulklassen ein. In diesem Jahr wurde der Workshop WERTE IM BLICK mit allen achten Klassen der weiterführenden Schulen durchgeführt. Die Schüler beschäftigten sich dabei mit folgenden Fragestellungen: Was sind für euch Werte? Welche Rolle spielen Werte in einer Demokratie? Wie kann man sich einigen, welche Werte in einer Gemeinschaft wichtiger bzw. weniger wichtig sind? An drei Tagen nahmen rund 250 Schüler der Theodor-Heuss-Schule, der Kraichgau Realschule und des Wilhelmi-Gymnasiums an den elf Workshops teil.
Bei insgesamt vier Vorstellungen konnte der Film „White Bird“ aus dem Jahr 2023 im Citydom geschaut werden. Das Drama von Regisseur Marc Forster erzählt die ergreifende Geschichte eines im Elsass lebenden jüdischen Mädchens, das nach der Deportation der Eltern im Herbst 1942 von der Familie eines Klassenkameraden versteckt wird. In einer Zeit, in der nur wenige Menschen Zivilcourage bewiesen, beschreibt „White Bird“ eine Geschichte der Menschlichkeit. Der Film wurde in Kooperation mit Cinema Paradiso gezeigt.
Zusätzlich zu den genannten Veranstaltungen konnten sich Interessierte im Rathaus und in der Alten Synagoge Steinsfurt eine Wanderausstellung mit dem Titel „Man wird ja wohl noch sagen dürfen …“ anschauen. Die Ausstellung ist eine Leihgabe des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg Ulm. Auf eisernen Tafeln werden verschiedene sprachliche Schlüsselbegriffe dargestellt, die durch ihre Verwendung in Geschichte und Gegenwart menschenverachtende und demokratiefeindliche Wirkung erzielt haben bzw. noch immer erzielen können. Die Ausstellung wurde bereits am 27. Januar anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus in der Alten Synagoge eröffnet. Auch die Buchhandlung Doll trug durch einen Büchertisch wieder ihren Teil zur Themenwoche bei.
Der DGB Heidelberg/Rhein-Neckar und das städtische Kinder- und Jugendreferat, das in Trägerschaft der Diakonischen Jugendhilfe Region Heilbronn ist, nehmen die tolle Resonanz der Themenwoche als Ansporn, auch zukünftig am Ball zu bleiben und die Woche für Demokratie und Toleranz weiterhin als festen Baustein im städtischen Veranstaltungskalender zu erhalten. Als weitere Kooperationspartner waren die folgenden Institutionen beteiligt: Fanbetreuung der TSG Hoffenheim, Alte Synagoge Steinsfurt e.V., Fanprojekt Hoffenheim, Citydom Sinsheim, Cinema Paradiso e.V., Bündnis für Toleranz, Sinsheimer Arbeitsgemeinschaft Migration (SAM), Buchhandlung Doll.
ANSPRECHPERSON
Markus Bosler
Kinder- und Jugendreferat der Stadt Sinsheim
Wilhelmstr. 14-18
74889 Sinsheim
Tel.: (07261) 404 261
jugendreferat(at)sinsheim.de